Friedrich Merz MdB, Vorsitzender
Bericht des Vorsitzenden zur Sitzung der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag am 24. September 2024
1. Kernbotschaften der Woche
Unser Antrag „Ein umfassendes Sicherheitspaket jetzt beschließen".
Deutschland befindet sich in einer anhaltenden schweren Migrationskrise. Bereits zum zweiten Mal innerhalb nur eines Jahrzehnts sieht sich unser Land mit der größten Zahl von Asylbewerbern und Migranten seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges konfrontiert. Allein in den ersten acht Monaten dieses Jahres haben mehr als 160.000 Menschen einen Asylantrag in Deutschland gestellt. Deutschlands Aufnahmekapazitäten sind erschöpft, was sich in der täglichen Realität in den Kommunen, Schulen, Kindergärten, Krankenhäusern, auf dem Wohnungsmarkt und im öffentlichen Nahverkehr zeigt.
Gleichzeitig sehen wir immer deutlicher die Auswirkungen dieser verfehlten Migrationspolitik auf die innere Sicherheit. Die Ampel-Koalition hat als Reaktion auf die Terroranschläge in Mannheim und Solingen ein „Sicherheitspaket“ versprochen. Inhalt des Pakets sollen Änderungen beim Waffenrecht sowie eine – geringfügige – Erweiterung der Befugnisse des Bundeskriminalamts, der Bundespolizei und des Verfassungsschutzes sein. Zudem wurden Anpassungen im Asyl- und Aufenthaltsrecht angekündigt. Dieses Gesetzespaket hätte eigentlich bereits in dieser Woche im Deutschen Bundestag verabschiedet werden sollen. Um den Weg für dieses schnelle Verfahren freizumachen, hatten wir entgegen den üblichen Regeln der Parlamentspraxis zugestimmt, das „Sicherheitspaket“ bereits in der vergangenen Haushaltswoche in 1. Lesung zu beraten. Doch die Koalitionsparteien haben sich erneut über Details zerstritten und den Beschluss verschoben. Die Sicherheitsgesetze können somit nicht wie geplant verabschiedet werden.
Die Ampel-Bundesregierung hat weder die Kraft für eine echte Wende in der Asyl- und Migrationspolitik noch für die dringendsten und notwendigsten Änderungen der Sicherheitsgesetze. Sie ist intern heillos zerstritten und kann sich nicht auf wirksame Maßnahmen einigen. Stattdessen verliert sie sich in größtenteils kosmetischen Änderungen des Waffenrechts, die keinen Anschlag verhindern werden.
Die notwendigen Maßnahmen sowohl in der Asyl- und Migrationspolitik als auch in der inneren Sicherheit sind lange bekannt. Wir haben sie bereits in der vergangenen Sitzungswoche und in dieser Woche erneut als Antrag in den Deutschen Bundestag eingebracht. Wir erneuern unsere Forderung nach einer konsequenten Zurückweisung an der Grenze, um die massenhafte illegale Einreise nach Deutschland zu beenden. Darüber hinaus fordern wir eine umfassende Stärkung der Sicherheitsbehörden für den wirksamen Schutz der Bevölkerung. Unsere Sicherheitsbehörden brauchen endlich die Befugnisse, die im 21. Jahrhundert zur Bekämpfung und Verhinderung von Verbrechen notwendig sind.
Aktuelle Stunde: „Aufklärung der Vorgänge um den Verkauf der Commerzbank-Anteile des Bundes“.
Im Zuge der Finanzkrise hat der Bund in den Jahren 2008 und 2009 die Commerzbank mit mehr als 18 Milliarden Euro gestützt und einen Anteil von 25 Prozent an der Bank übernommen. Die Bank hat bis heute gut 13 Milliarden Euro an den Bund zurückgezahlt. An den Kapitalerhöhungen in den letzten Jahren hat der Bund nicht teilgenommen. Dadurch ist sein Anteil auf 16,5 Prozent gesunken.
Anfang September hat der Bund einen Anteil von 4,5 Prozent am Markt angeboten. Anders als offenbar vorgesehen, haben nicht mehrere Investoren den Zuschlag erhalten, sondern allein die italienische Großbank UniCredit. Die Bundesregierung wurde nach eigenem Bekunden vom Angebot der UniCredit überrascht und hat offenbar auch nicht bemerkt, dass die Bank zeitgleich über den Markt weitere 4,5 Prozent erworben hat.
Aus ordnungspolitischer Sicht ist zu begrüßen, dass sich der Staat aus der Commerzbank nach Überwindung der Krise zurückzieht; die Beteiligung war nie auf Dauer angelegt. Hierfür ist aber eine kluge Ausstiegsstrategie notwendig, um Nachteile für den Finanzplatz Deutschland und den Verlust von Arbeitsplätzen zu vermeiden. Es stellen sich deshalb viele Fragen zur Vorbereitung und Durchführung des Anteilsverkaufs durch die Bundesregierung. Nach jetziger Kenntnis war das planlose Vorgehen der Bundesregierung zumindest naiv, wenn nicht gar fahrlässig gegenüber dem Finanzstandort Deutschland sowie den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern. Wir erwarten, dass alle unsere Fragen zeitnah und vollumfänglich beantwortet werden, weshalb wir über die „Aktuelle Stunde“ hinaus auch eine „Kleine Anfrage“ an die Bundesregierung erarbeitet haben.
Unsere Automobilindustrie braucht eine Zukunft – Den Industriestandort Deutschland wettbewerbsfähig machen.
Die Automobilindustrie ist der bedeutendste Industriezweig in Deutschland. Die Wertschöpfungsketten der Fahrzeug- und Motorenhersteller sind tief mit dem deutschen und europäischen Mittelstand verbunden. In der Automobilwirtschaft mehren sich die Anzeichen für eine Krise: Die Auto-Produktion ist um rund 5 Prozent zurückgegangen. Im August wurden 69 Prozent weniger neue E-Autos zugelassen als im Vorjahresmonat. Bei den Zulassungszahlen von Verbrennern gab es einen Rückgang von 28 Prozent.
Eine zentrale Ursache für die Krise der Automobilindustrie liegt in dem ideologisch verengten wirtschafts- und industriepolitischen Kurs der Ampel-Regierung und der damit verbundenen Fokussierung auf einzelne, politisch definierte Technologien. Und selbst bei den von ihr politisch gewollten Technologien sorgt die Ampel für größtmögliches Förder-Chaos. Förderprogramme wie die Umweltprämie stoppt die Ampel abrupt und ohne jegliche Vorankündigung und bringt so die Nachfrage nach E-Autos zum Erliegen. Auch das Förder-Chaos der Bundesforschungsministerin bei der Batterieforschung ist ein schwerer Rückschlag beim Wiedergewinn von Wettbewerbsfähigkeit und technologischer Souveränität.
Wir wollen, dass Deutschland ein starkes Industrieland bleibt. Dazu gehört eine starke Automobilindustrie. Nur eine wettbewerbsfähige Automobilwirtschaft sichert Arbeitsplätze und Wohlstand in Deutschland und ist gleichermaßen in der Lage, in Klimaschutz und CO2-Neutralität zu investieren. Die Bundesregierung muss sich für eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes einsetzen. Dazu gehören wettbewerbsfähige Energiepreise, ein Belastungsmoratorium und Reduzierung von Bürokratie und eine Reform der Unternehmensbesteuerung.
2. Die Woche im Parlament
2.1 Initiativen unserer CDU/CSU-Fraktion
In dieser Woche debattieren wir die Antwort der Bundesregierung auf unsere Große Anfrage Sachverhaltsaufklärung von Bundesministerin Bettina Stark-Watzinger zur sogenannten Fördermittel-Affäre. Am 16. Juni 2024 hat Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger ihre beamtete Staatssekretärin Prof. Dr. Sabine Döring, die für ihren Einsatz gegen Antisemitismus hohe Anerkennung in der jüdischen Gemeinde genießt, in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Auslöser der Debatte war eine Panorama-Veröffentlichung vom 11. Juni 2024. Darin wurde berichtet, dass das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) eine förderrechtliche Prüfung einleitete, nachdem ein Offener Brief von Hochschuldozenten und Wissenschaftlern mehrerer Berliner Universitäten zur Unterstützung propalästinensischer Demonstrationen an der FU Berlin veröffentlicht worden war. Obwohl der Inhalt des Briefes von der Meinungsfreiheit gedeckt ist, lehnen wir diesen inhaltlich ab. Unsere Fraktion hat daraufhin eine Große Anfrage zur Aufklärung des Sachverhalts eingereicht. Die Antworten der Bundesregierung blieben jedoch unklar. Besonders offen bleibt die Frage, wer im BMBF die Verantwortung für die förderrechtliche Prüfung trägt, die laut der Ministerin das Vertrauen von Wissenschaftlern in das Ministerium stark erschüttert hat. Die Debatte kommt daher zur richtigen Zeit. Es bleibt weiter ungeklärt, wer im BMBF die Verantwortung für den förderrechtlichen Auftrag trägt, der nach eigenen Worten der Ministerin dazu geeignet ist, „das Vertrauen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in das BMBF nachhaltig zu beschädigen“.
In abschließender zweiter und dritter Lesung beraten wir in dieser Woche unseren Antrag Bioenergie eine klare Zukunftsperspektive geben und bestehende Hemmnisse beseitigen. Die Bundesregierung behandelt die Bioenergie stiefmütterlich, bremst sie künstlich aus und setzt die falschen Rahmenbedingungen. Die Bioenergie benötigt eine klare Zukunftsperspektive und den Abbau von Hemmnissen. Unser Antrag beinhaltet 23 Vorschläge für Verbesserungen bei der Bioenergie. Diese reichen von einer Ausweitung der Ausschreibungen über eine Erhöhung der Ausbauziele bis zur Prüfung von Grüngasquoten. Der unser Antrag reiht sich damit in eine Reihe weiterer Anträge zur Entfesselung aller Erneuerbaren Energien ein. So haben wir bereits zu CCU/CCS, Wasserstoff, Solar, Geothermie und Speichern umfassende Anträge in den Deutschen Bundestag eingebracht und beraten. Die Ampel nutzt immer noch nicht alle Potenziale der Erneuerbaren Energien aus und richtet ihren Fokus lediglich auf Sonne und Wind. Wir wollen mit dem Antrag die Bioenergie entfesseln und haben zu den Inhalten bereits positive Resonanz aus Fachkreisen erhalten. Der Antrag greift die Sorgen und Nöte der Branche auf, was auch in der öffentlichen Anhörung deutlich geworden ist.
Umsetzung des EU-Data-Acts – Für eine innovative und wettbewerbsfähige Datenwirtschaft in Deutschland. Der europäische Data Act hat das Ziel, den Zugang zu und die Nutzung von nutzergenerierten, nicht-personenbezogenen Daten zu verbessern. Er vereinheitlicht die Datenregulierung und schafft erstmals einheitliche Vorgaben für den Zugang zu und die Verwendung von Daten durch Nutzer, Dritte und den Staat. Dies fördert einen einheitlichen Binnenmarkt für Daten in Europa und erleichtert den unternehmens- und sektorübergreifenden Austausch industrieller Daten. Das von der EU vorgegebene Ziel darf in Deutschland nicht durch eine Überregulierung von Seiten der Bundesregierung ausgebremst werden: Der Data Act soll ermöglichen und nicht verhindern. Die Hoffnung auf eine konstruktive, innovationsoffene Umsetzung durch die Ampel-Koalition ist freilich gering. Ob, wie und wann sich das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) mit anderen beteiligten Ressorts auf einen Gesetzentwurf einigen können, bleibt fraglich. Eine rechtzeitige Implementierung des Data Acts ist jedoch entscheidend, um sicherzustellen, dass deutsche Unternehmen von den neuen Regelungen profitieren und ihre Marktstellung im globalen Wettbewerb stärken können.
Wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den Partnerländern der Entwicklungszusammenarbeit stärken. Die Erreichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) der Vereinten Nationen bis zum Jahr 2030 ist nach aktuellem Stand kaum möglich. Klar ist, dass allein mit staatlichen Mitteln die sogenannte Agenda 2030 nicht erreicht werden kann. Mittel der Privatwirtschaft für die nachhaltige Entwicklung zu mobilisieren, ist daher von großer Bedeutung. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die Entwicklungsländer, die einen enormen Finanzbedarf für Investitionen haben. Dabei ist nachhaltiges Wirtschaftswachstum in Entwicklungsländern entscheidend, um Arbeitsplätze zu schaffen und den Menschen langfristig gute Perspektiven zu bieten, die letztlich auch zum Verbleib in der angestammten Heimat bewegen. Zudem ist ein verstärkter wirtschaftlicher Austausch auch im ökonomischen Interesse Deutschlands. Mit unserem Antrag – den wir in dieser Woche erstmals beraten – machen wir Vorschläge, wie eine intensivere wirtschaftliche Zusammenarbeit gefördert werden kann. Dabei kritisieren wir insbesondere, dass die Bundesregierung gerade diejenigen Haushaltstitel im BMZ überproportional kürzt, die dazu dienen, unternehmerisches Engagement in Entwicklungsländern anzureizen. Der Antrag setzt hier einen Kontrapunkt. Wir formulieren eine Alternative, die nicht nur entwicklungspolitisch sinnvoll ist, sondern zudem einen Beitrag zur Stärkung des Standortes Deutschland liefern kann.
Für Rechtssicherheit und eine lebendige Hauptversammlung – Reformbedarf im Beschlussmängelrecht. Mit unserem Antrag, den wir in dieser Woche abschließend beraten, fordern wir die Bundesregierung auf, die Missbrauchsmöglichkeiten und Häufigkeit der Beschlussanfechtungen im geltenden deutschen Beschlussmängelrecht einem internationalen Vergleich zu unterziehen und – insbesondere unter dem Aspekt der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands als Wirtschaftsstandort – zu bewerten. Darüber hinaus fordern wir, die Effektivität des Freigabeverfahrens im Aktienrecht zur Missbrauchsbekämpfung zu evaluieren sowie den Deutschen Bundestag über das Ergebnis des Rechtsvergleichs und der durchgeführten Evaluierung zu unterrichten. Wir wollen, dass die Bundesregierung nach Maßgabe dieser Ergebnisse Reformvorschläge für das aktienrechtliche Beschlussmängelrecht vorlegt und bei den Reformbemühungen ein einheitliches rechtsformübergreifendes Beschlussmängelrecht anstrebt. Die öffentliche Anhörung im Rechtsausschuss hat gezeigt, dass dringender Reformbedarf besteht. Dies wurde auch durch die allermeisten Sachverständigen der Koalition bestätigt. Mit dem Antrag haben wir ein wichtiges politisches Thema auf die Agenda gehoben und eine Leerstelle der Ampel offenbart.
CO2-Export-Ermöglichungsgesetz. Unser Gesetzentwurf – den wir in dieser Woche in den Deutschen Bundestag einbringen – schafft die Voraussetzungen für den Export von CO2 in Partnerländer. Dafür muss zum einen der Art. 6 des London-Protokoll ratifiziert werden. Das London-Protokoll ist ein internationales Abkommen, das Regelungen zur CO2-Einlagerung unter dem Meeresboden sowie zum internationalen Handel mit CO2 trifft. Zum anderen bedarf es einer Änderung im Hohe-See-Einbringungsgesetz. Selbst das Umweltbundesamt vertritt inzwischen die Meinung, dass Klimaneutralität ohne die Speicherung von CO2 (Carbon Capture and Storage – CCS) nicht möglich ist. Der Export von CO2, z.B. in Speicherstätten in Norwegen, ist jedoch nur durch eine Ratifizierung des London-Protokolls möglich. Das für das London-Protokoll zuständige Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) hat jedoch bislang – vermutlich aus ideologischen Gründen – keinen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt. Diesen Mangel beheben wir mit unserem Gesetzentwurf. Parallel dazu beraten wir auch unseren Antrag Potentiale der CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS) und CO2-Nutzung (CCU) entfesseln und Hürden konsequent aus dem Weg räumen, sowie den Entwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Änderung des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes.
Für eine praxistaugliche und effektive Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie. Mit unserem Antrag zielen wir darauf ab, die bisherigen Versäumnisse der Ampel-Regierung mit Blick auf die Kreislaufwirtschaft deutlich zu machen. Die immer wieder verschobene Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie steht dafür sinnbildlich. Das BMUV hat über zwei Jahre daran gearbeitet und gleichzeitig wichtige Gesetzesvorhaben hintenangestellt. Die bisher noch nicht vom Bundeskabinett beschlossene Strategie weist in ihrer Entwurfsform keinerlei konkrete Maßnahmen aus und wird daher nur wenig Durchschlagskraft entfalten. Auch ist unklar, wann und in welcher Form die dort andiskutierten Ideen umgesetzt werden sollen. Das führt zwangsweise zu Unsicherheiten in der betroffenen Branche. Investitionen werden zurückgestellt. Im Gegensatz dazu schlagen wir mit unserem Antrag konkrete Impulse vor, die das zirkuläre Wirtschaften nach vorne bringen. Dies umfasst eine zeitnahe Reform des § 21 Verpackungsgesetz oder die dringend benötigte Verabschiedung der sog. Abfallende-Verordnung für mineralische Ersatzbaustoffe.
2.2 Sonstige Tagesordnungspunkte
In abschließender zweiter und dritter Lesung befassen wir uns in dieser Woche mit dem Vierten Gesetz zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, der Wirtschaft sowie der Verwaltung von Bürokratie. Der Entwurf sieht eine Entlastung von rund 944,4 Millionen Euro vor. Ziel dieses Entwurfs ist es zugleich, Abläufe zu vereinfachen und zu verschlanken, ohne hierbei notwendige Schutzstandards in Frage zu stellen. Das Gros der Entlastungen des BEG IV-E entfällt dabei auf folgende vier Maßnahmen: Der Entwurf sieht Änderungen des Handelsgesetzbuchs, der Abgabenordnung und des Umsatzsteuergesetzes vor, die die Aufbewahrungsfrist für Buchungsbelege im Handels- und Steuerrecht einheitlich von zehn auf acht Jahre verkürzen. Es zudem soll eine zentrale Vollmachtsdatenbank der Steuerberaterinnen und Steuerberater für Vollmachten im Bereich der sozialen Sicherung (Generalvollmachten) eingerichtet werden. Darüber hinaus soll für deutsche Staatsangehörige soll zukünftig keine Hotelmeldepflicht mehr bestehen. Das führt zu einer erheblichen Entlastung der Beherbergungswirtschaft und der betroffenen Übernachtungsgäste. Der digitale Wandel soll insbesondere durch die Absenkung von Formerfordernissen im Zivilrecht gefördert werden. Insgesamt kommt es zu Änderungen in 61 Gesetzen. Aus unserer Sicht ist das vorliegende Gesetz kein großer Wurf. Dennoch stimmen wir dem Entwurf zu, denn wenig Bürokratieentlastung besser ist als keine Bürokratieentlastung. Die Ampel müsste sich aber vielmehr vornehmen, nicht laufend neue Bürokratie zu schaffen.
In abschließender zweiter und dritter Lesung befassen wir uns in dieser Woche mit dem Entwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Einführung eines Leitentscheidungsverfahrens beim Bundesgerichtshof. Massenverfahren stellen eine große Belastung für die betroffenen Zivilgerichte dar. Solche Verfahren, die etwa im Zusammenhang mit Verbraucheransprüchen aus dem Diesel-Skandal oder unzulässigen Vertragsklauseln entstehen, stellen oft wiederholt dieselben rechtlichen Fragen. Durch ein Leitentscheidungsverfahren soll der Bundesgerichtshof in einem Musterfall verbindlich entscheiden, sodass gleichgelagerte Verfahren schneller abgeschlossen werden können. Wird in einem Massenverfahren Revision eingelegt, so kann der Bundesgerichtshof dieses Verfahren zu einem Leitentscheidungsverfahren bestimmen. Der Bundesgerichtshof entscheidet über die Rechtsfragen in Form der Leitentscheidung auch dann, wenn die Parteien die Revision zurücknehmen oder sich das Revisionsverfahren auf andere Weise erledigt. Wir lehnen den Gesetzentwurf ab. Massenverfahren stellen ohne Frage ein großes Problem für die Justiz dar. Wir haben das bekannte Problem bereits in einem eigenen Antrag aufgegriffen (Drs. 20/5560). Die dazu durchgeführte öffentliche Anhörung hat jedoch ergeben, dass Leitentscheidungsverfahren nicht der richtige Weg sind: Die Verfahren kommen nach dem Durchlaufen des Instanzenzuges erst viel zu spät beim Bundesgerichtshof an. Statt eines Leitentscheidungsverfahrens brauchen wir deshalb ein Vorabentscheidungsverfahren beim Bundesgerichtshof.
In dieser Woche befassen wir uns mit dem Entwurf der Bundesregierung für ein Sechstes Gesetz zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR. Opfer politischer Verfolgung in der DDR leiden oft noch heute unter den Folgen der Repressionen, und ihre wirtschaftliche Lage ist häufig prekär. In Anerkennung ihres Leids und in Erfüllung des Einigungsvertrages schlagen wir vor, einen Härtefallfonds bei der Stiftung für ehemalige politische Häftlinge einzurichten. Mit unserem Gesetzentwurf fordern wir zudem die Dynamisierung der SED-Opferrente und der Ausgleichsleistungen für beruflich Verfolgte. Weitere zentrale Punkte sind eine einmalige Leistung von 1.500 Euro für Opfer von Zwangsaussiedlungen und der Verzicht auf die Absenkung der Ausgleichszahlungen bei Renteneintritt. Der Entwurf geht damit über die Vereinbarungen des Koalitionsvertrages hinaus, greift jedoch die gesundheitlichen Folgeschäden nicht auf. Zu Recht hat die SED-Opferbeauftragte den Gesetzentwurf als unzureichend kritisiert. So fehlen insbesondere Regelungen für die Anerkennung der gesundheitlichen Folgeschäden von politischer Verfolgung gänzlich. Mit unserem Antrag „70. Jahrestag des DDR-Volksaufstandes am 17. Juni 1953 – Gedenken an Opfer von Widerstand und Opposition – Würdigung von Freiheitsbewegungen“ (Drs. 20/7188) haben wir bereits verschiedene Forderungen adressiert. Dies betrifft insbesondere die Dynamisierung der SED-Opferrenten, Abschaffung der Bedürftigkeitsklausel, Implementierung der Witwen-Regelungen bei Opferrenten, Abschaffung der bisherigen Absenkung der Ausgleichszahlung beim Renteneintritt, Gewährleistung, dass gesundheitliche Folgeschäden von Opfern in den Anerkennungsverfahren besser berücksichtigt werden.
Mit dem Gesetzentwurf zur Stabilisierung des Rentenniveaus und zum Aufbau eines Generationenkapitals für die gesetzliche Rentenversicherung will die Ampel-Koalition das Rentenniveau bis 2039 bei 48 Prozent sichern. Der demografische Wandel stellt die Rentenversicherung vor erhebliche finanzielle Herausforderungen, weshalb ohne gesetzliche Eingriffe das Rentenniveau auf 45 Prozent sinken würde. Durch dieses Gesetz wird dieses Niveau stabilisiert, was zu einer Anhebung der Beitragssätze auf 22,6 Prozent bis 2040 führt. Mit dem Gesetzentwurf wird außerdem das sog. Generationenkapital eingeführt, das ab 2028 von einer unabhängigen Stiftung verwaltet wird. Hierfür werden 200 Mrd. Euro Schulden aufgenommen, um ab 2036 jährlich 10 Mrd. Euro an die Rentenversicherung auszuschütten und so die Beitragssätze geringfügig zu entlasten. Wir lehnen den Entwurf ab. Er verlagert einseitig Lasten auf die Beitragszahler. Die Entlastungswirkung des Generationenkapitals wird erst ab 2036 spürbar. Zudem ist die Finanzierung nicht ausreichend und das Rentensystem wird durch zusätzliche Leistungsausweitungen weiter belastet. Die Ampel hat keine Antwort auf die Folgen des demografischen Wandels. Statt einer nachhaltigen Reform der Rentenversicherung findet eine Leistungsausweitung statt. Diese ist nicht solide gegenfinanziert und wird die bestehenden finanziellen Schwierigkeiten weiter verschärften. Der Gedanke einer gerechten Lastenverteilung zwischen den Generationen ist von der Ampel aufgegeben worden, zu Lasten der jüngeren Generation.
Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte – Stabilisierung sichern, Wiedererstarken des IS verhindern, Versöhnung in Irak fördern. Die Bundesregierung bittet den Deutschen Bundestag um die Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte – Stabilisierung sichern, Wiedererstarken des IS verhindern, Versöhnung in Irak fördern – und bringt dazu einen entsprechenden Antrag in den Deutschen Bundestag ein. Das Mandat bleibt im Kern unverändert, soll aber eine Laufzeit von 15 Monaten bis zum 31. Januar 2026 haben. Damit wird der Bundestagswahl im kommenden Jahr Rechnung getragen. Die Mandatsobergrenze verbleibt bei 500 Soldatinnen und Soldaten. Der Einsatz zielt darauf ab, die irakischen Streit- und Sicherheitskräfte nachhaltig zu befähigen, die Sicherheit und Stabilität in Irak eigenständig zu gewährleisten und ein Wiedererstarken der Terrororganisation des sog. Islamischen Staates (IS) zu verhindern. Die internationale Gemeinschaft ist diesem Ziel in den letzten Jahren deutlich nähergekommen, hat es aber noch nicht erreicht. Eine Fortsetzung des Engagements ist notwendig, um das bisher Erreichte zu konsolidieren und tragfähig auszubauen bzw. weiterzuentwickeln. Allerdings fehlt der Bundesregierung weiter ein Konzept für den Irak, für die Kurdenfrage im Irak sowie für den Umgang mit dem Iran im Irak.
3. Wichtige Termine und Ausblick
- Inland:
- -26. September: Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz,
- September: BM Wissing eröffnet Bahntechnikmesse Innotrans (bis 27. September, Besuch von BM Habeck am 25. September),
- September: BM Habeck spricht bei der Verleihung des Deutschen Gründerpreises,
- September: BM Özdemir stellt Ernährungsreport 2024 vor,
- September: BM Lindner und BM Stark Watzinger stellen Handlungsempfehlungen der Finanzbildungsstrategie der OECD vor,
- September: BM Pistorius besucht Kampfhubschrauberregiment 36 „Kurhessen“ in Fritzlar und eröffnet Kongress der Deutschen Vereinigung für Politikwissenschaft,
- -27. September: Deutscher Juristentag in Stuttgart,
- September: Konstituierende Sitzung des Thüringer Landtags,
- September: Herbst-Gemeinschaftsdiagnose der Wirtschaftsforschungsinstitute,
- September: GDV-Versicherungstag mit BM Buschmann,
- September: BK Scholz spricht auf der queerpolitischen Menschenrechtskonferenz der SPD-Bundestagsfraktion,
- September: Bundesagentur für Arbeit veröffentlicht Statistik für September,
- September: Bauministerkonferenz,
- September: Landesparteitag CDU Nordrhein-Westfalen,
- September: Meisterfeier des Schleswig-Holsteinischen Handwerks mit BM Habeck.
- Außen/EU:
- -25. September: Konferenz der britischen Labour-Partei,
- September: Rat Allgemeine Angelegenheiten (Prioritäten der ungarischen Ratspräsidentschaft, Rechtsstaatlichkeitsdialog, Europäischer Rat am 17./18. Oktober),
- -30. September: 79. UN-Generaldebatte der UN-Vollversammlung (u.a. mit Rede des ukrainischen Präsidenten Selenskyj),
- September: BK Scholz empfängt den italienischen Staatspräsidenten Mattarella,
- September: Wettbewerbsfähigkeitsrat (Draghi-Bericht, Beihilferecht, E-Handel),
- -29. September: Papst Franziskus reist nach Luxemburg und Belgien,
- September: Japans Regierungspartei LDP wählt einen neuen Vorsitzenden (der amtierende Vorsitzende Kishida tritt nicht noch einmal an),
- September: Nationalratswahl in Österreich,
- September – 2. Oktober: Konferenz der britischen Konservativen (Tories).