Bericht des Vorsitzenden zur Sitzung der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag am 17. Januar 2023
Friedrich Merz MdB, Vorsitzender
Bericht des Vorsitzenden zur Sitzung der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag am 17. Januar 2023
1. Kernbotschaften der Woche
Beschaffungsgipfel jetzt einberufen – Versorgungssicherheit für Patientinnen und Patienten mit Arzneimitteln gewährleisten.
Die Versorgungslage mit Medikamenten hat sich in den letzten Wochen massiv verschlechtert. Fiebersäfte, Antibiotika, Insulin oder Krebsmedikamente sind flächendeckend kaum noch erhältlich oder nur mit hohem Aufwand zu bekommen. Der Bundesgesundheitsminister kündigt aber zur Abhilfe lediglich langfristige Regelungen an. Doch gehandelt werden muss jetzt. Wir setzen daher auf einen Beschaffungsgipfel, auf dem alternative Beschaffungen aus dem Ausland, verbesserte Verteilungs- und Austauschmöglichkeiten und ein nationales Frühwarnsystem diskutiert werden. Darüber hinaus fordern wir die Steigerung der europäischen Arzneimittelproduktion oder zumindest eine effektivere europäische Beschaffung sowie eine Ertüchtigung von Apotheken.
Ukraine durch die Lieferung von Kampfpanzern unterstützen.
Der Beginn des verbrecherischen Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine jährt sich bald zum ersten Mal. Doch trotz großer Anstrengungen, einem massiven Aufgebot an Menschen und Material und einer Kriegsführung, die ohne Rücksicht auf das internationale Recht bewusst auf Kriegsverbrechen setzt, ist es Russland nicht gelungen, die Ukraine zu unterwerfen. Daran haben westliche Waffenlieferungen einen entscheidenden Anteil. Wenn die Ukraine weiter gegen die russische Aggression bestehen und die besetzten Gebiete befreien soll, benötigt sie weitere Unterstützung in Form wirtschaftlicher, humanitärer und militärischer Hilfen. Der Erfolg der Ukraine liegt im strategischen Interesse Deutschlands und Europas.
Der Bundeskanzler muss jetzt sicherheitspolitische Klarheit schaffen. Dazu gehört auch endlich die Lieferung von Kampfpanzern vom Typ Leopard. Dieser Schritt muss im Verbund mit unseren europäischen und transatlantischen Partnern geschehen. Doch der Bundeskanzler steht weiterhin auf der Bremse. Nur mit Waffenlieferungen auf qualitativ und quantitativ hohem Niveau kann die Ukraine in die Lage versetzt werden, sich auch weiterhin gegen die russische Aggression zu verteidigen. Die Bundesregierung muss nun proaktiv handeln, um den in den letzten Monaten angerichteten außen- und sicherheitspolitischen Flurschaden zu begrenzen.
Aktuelle Stunde: Die Silvesterkrawalle als Ausdruck von Respektlosigkeit gegenüber dem deutschen Staat und seinen Einsatzkräften.
Die Krawalle der Silvesternacht haben Deutschland erschüttert. Besonders verwerflich – und in dieser Form bisher nicht dagewesen – waren geplante und systematische Angriffe auf Einsatzkräfte: Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste wurden von den Tätern nicht nur tätlich angegriffen, sondern auch mit Feuerwerk beschossen und systematisch in Hinterhalte gelockt. Ein Schwerpunkt der Ausschreitungen war – wieder einmal – Berlin. Unter den vorläufig Festgenommenen befand sich ein hoher Anteil von Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit oder mit Migrationshintergrund.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst sind Helfer, die sich für die Menschen in unserem Land einsetzen. Wer sie angreift, greift die ganze Gesellschaft an. Angriffe auf Einsatzkräfte sind deshalb auch ein Ausdruck von fundamental mangelndem Respekt gegenüber dem deutschen Staat und den grundlegenden Regeln des Zusammenlebens in Deutschland.
Wir wollen deshalb einen starken Staat, der die Regeln des Rechtsstaats überall durchsetzt. Als Union haben wir in den letzten Jahren wichtige Weichenstellungen vorgenommen, die Sicherheitsbehörden umfassend personell gestärkt und u.a. 2017 das Strafmaß für Angriffe auf Rettungskräfte erhöht. Bei der Umsetzung sind aber in erster Linie die Länder gefragt. Das fängt im Kindergarten mit dem Erlernen des Einhaltens von Regeln an und setzt sich mit regelmäßiger und sichtbarer Polizeipräsenz in den Brennpunktvierteln fort. Das nützt dann allen dort lebenden und ganz überwiegend rechtstreuen Menschen.
Rechtsstaat durchsetzen heißt auch: Endlich Vollzugsdefizite bei Polizei und Justiz angehen. Gerade hier braucht es deutlich mehr Personal und klare Entscheidungen der Justiz, die den vom Gesetz gegebenen Rahmen auch nutzen. Ausstattung und Ausrüstung der Polizei müssen wir verbessern. Auch eine nochmalige Heraufsetzung des Strafrahmens bei Angriffen gegen Einsatzkräfte muss diskutiert werden. Stark muss der Staat auch bei echten Bildungs- und Integrationsangeboten sein. Dazu braucht es eine klare und offene Diskussion, was bei der Integration in manchen Städten schiefgelaufen ist. Wir müssen den Blick nach vorne richten und Lösungen suchen, wie wir diese Probleme in den Griff bekommen. Wir brauchen gute Bildungs- und Integrationsangebote gerade in den Brennpunktvierteln.
2. Die Woche im Parlament
2.1 Initiativen unserer CDU/CSU-Fraktion
Die Bundesregierung muss ihre Iranpolitik endlich entschlossen auf den Erfolg der Revolutionsbewegung im Iran hin ausrichten. Mit unserem Antrag Das iranische Terrorregime effektiv sanktionieren und so die iranische Revolutionsbewegung aktiv unterstützen fordern wir: Es muss Ziel europäischer Politik sein, dem iranischen Regime die Unterdrückung des eigenen Volkes so weit wie möglich zu erschweren. Davon ist die EU in der Sanktionspolitik – dem hierfür eigentlich wirkmächtigsten Vehikel – leider noch weit entfernt. Zu den nicht ausgereizten Möglichkeiten zählen die Terrorlistung der Revolutionsgarden in der EU, erweiterte Personensanktionen, ein sehr viel restriktiverer Umgang mit Technologietransfers, schärfere Sanktionsdurchsetzung, die lange auf die Bank geschobene Möglichkeit von Handelssanktionen, aber auch Sanktionen gegen den iranischen Propagandaapparat. Die von ihr selbst als feministisch bezeichnete Außenpolitik der Bundesregierung spielt in der Iran-Politik bislang keine erkennbare Rolle. Die Bundesregierung sollte deshalb endlich eine entschlossene Vorreiterrolle innerhalb der EU einnehmen. So unterstützt sie die Menschen auf den Straßen in Teheran, Maschhad, Karaj, Sanandadsch und vielen weiteren Städten und Dörfern im Iran am besten.
Die Auswirkungen der Corona-Krise sowie die Folgen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine haben vielen Menschen vor Augen geführt, dass eine ausreichende Versorgung mit vielfältigen Lebensmitteln nicht selbstverständlich ist. Deutlich wurde auch, wie wichtig es ist, sich nicht in eine komplette Abhängigkeit zu einzelnen Drittstaaten zu begeben. Vielmehr gilt es dafür zu sorgen, dass Deutschland und die Europäische Union sich so weit wie irgend möglich selbständig mit Nahrungsmitteln versorgen beziehungsweise auf vielfältige Lieferketten und Handelspartner setzen können. Dies gilt es bei allen relevanten politischen Entscheidungen sicherzustellen. Mit unserem Antrag Nahrungsmittelversorgung sicherstellen – Selbstversorgungsgrad in Deutschland und Europa erhalten machen wir konkrete Vorschläge, wie wir die Ernährungssicherheit in Deutschland stärken können.
Gemeinsam mit den Koalitionsfraktionen bringen wir einen interfraktionellen Antrag Anerkennung und Gedenken an den Völkermord an den Êzîdinnen und Êzîden ein. Damit erkennt der Deutsche Bundestag die Verbrechen des sog. Islamischen Staates (IS) gegen die Gemeinschaft der Jesiden als Völkermord an und folgt dabei der rechtlichen Bewertung des Sonderermittlungsteams der Vereinten Nationen (UNITAD). Die Anerkennung des Völkermordes ist wesentlicher Teil der Aufarbeitung der Verbrechen, ein wichtiges Signal im Hinblick auf die von den Opfern geforderte Gerechtigkeit und somit Teil eines möglichen Beginns des Versöhnungsprozesses der Jesiden mit weiteren religiösen und ethnischen Minderheiten sowie der muslimischen Mehrheitsbevölkerung.
ME/CFS-Betroffenen sowie deren Angehörigen endlich helfen – Für eine bessere Gesundheits- sowie Therapieversorgung, Aufklärung und Anerkennung. ME/CFS ist eine schwerwiegende Erkrankung, die zu krankhafter Erschöpfung (Fatigue) und Verschlechterung der Symptome nach jeglicher Anstrengung (Post-Exertional Malaise) führt. Die Anzahl der weltweit Erkrankten wird auf 17 bis 24 Millionen Menschen geschätzt. ME/CFS schränkt die Lebensqualität der Betroffenen stark ein. Obwohl die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ME/CFS bereits 1969 als neurologische Erkrankung klassifiziert hat, gibt es bis heute keine zugelassene kurative Behandlung oder Heilung. Bereits vor der COVID-19-Pandemie waren in Deutschland mindestens eine Viertelmillion Menschen betroffen; darunter ca. 40.000 Kinder und Jugendliche. Es bedarf dringend flächendeckender, interdisziplinärer und umfassender Versorgungsstrukturen, um das Leid so vieler Menschen in Deutschland zumindest schnell zu mildern. Dafür muss eine gute medizinische sowie pflegerische Versorgung sichergestellt werden. Dringend bedarf es ebenfalls der klinischen Prüfung und Zulassung von Medikamenten, um die Erkrankung ursächlich zu behandeln.
Corona hat die Schausteller-Branche und damit auch die Volksfest- und Marktkultur und Zirkusse hart getroffen. Seit dem Frühjahr 2020 war ein regulärer Geschäftsbetrieb nicht mehr möglich. Jede abgesagte Veranstaltung hat große Löcher in die Kassen der Betriebe gerissen. Ressourcen und Ersparnisse sind aufgebraucht. Jetzt laufen die Veranstaltungen wieder an, die Perspektiven sind da. Mit unserem Antrag Neustart für Schaustellergewerbe, Marktkaufleute und Zirkusse in Deutschland zeigen wir auf, was zur Unterstützung der Branche getan werden muss. Wir schlagen finanz- und wirtschaftspolitisch aktivierende Maßnahmen vor, insbesondere: Maßnahmen im Rahmen der Schlussabrechnung der Corona-Hilfen, gewerberechtliche Anpassungen, steuerliche Impulse (bessere Verlustverrechnung, Turboabschreibung); bessere Fachkräftegewinnung und eine stärkere Verknüpfung mit touristischen Aktivitäten.
Die deutschen Seehäfen sichern – im Zusammenspiel mit dem Nord-Ostsee-Kanal – Wohlstand, Beschäftigung und Versorgungssicherheit in Deutschland. Zwei Drittel des deutschen Außenhandels werden über die Seehäfen abgewickelt. Rund 70 Prozent seines Energieaufkommens deckt Deutschland durch den Import verschiedener Energieträger über die Häfen. Damit die deutschen Häfen im internationalen Wettbewerb nicht weiter zurückfallen, resiliente und effiziente Energie- und Rohstoffdrehkreuze entstehen und Abhängigkeiten von anderen Staaten reduziert werden, fordern wir mit unserem Antrag: Hafenstandort Deutschland stärken. Dazu schlagen wir neben der Entwicklung einer langfristig angelegten Nationalen Hafenstrategie umgehende, wirksame Maßnahmen vor, die den geostrategischen Interessen Deutschlands und der Europäischen Union dienen.
Die Modernisierung der Arbeitsformen von Betriebsräten ist längst überfällig. Aber: Von Seiten der Bundesregierung sind hier keine Verbesserungen zu erwarten. Dies behindert zeitgemäße Betriebsratstätigkeit. Mit unserem Antrag Digitale Betriebsratsarbeit in einer sich wandelnden Arbeitswelt umfassend ermöglichen streben wir eine Modernisierung und Digitalisierung der Betriebsratsarbeit an. Ein wichtiges Beispiel: Aktuell gibt es keine Rechtsgrundlage, wonach Betriebsratsgremien digital gewählt werden können. In unserem Antrag fordern wir darüber hinaus: Optionale Video-Betriebsversammlungen ermöglichen, optionale Video-Sitzungen von Einigungsstellensitzungen ermöglichen, Versammlungen der Leitenden Angestellten nach dem Sprecherausschussgesetz auch digital ermöglichen, sowie in Anlehnung an das „Schwarze Brett“ ein gesetzlich festgelegtes Zugangsrecht zu den digitalen Werbe- und Informationskanälen festzulegen.
2.2 Sonstige Tagesordnungspunkte
Wir debattieren über den Nationalen Bildungsbericht – Bildung in Deutschland 2022 und Stellungnahme der Bundesregierung. Mit dem Bericht erfolgt alle zwei Jahre eine systematische Bestandsaufnahme des gesamten deutschen Bildungssystems auf Basis von Daten der amtlichen Statistik und aus sozialwissenschaftlichen Erhebungen. Das Schwerpunkthema des Bildungsberichtes lautet in diesem Jahr: "Bildungspersonal: Struktur, Entwicklung, Qualität und Professionalisierung". Die Stellungnahme der Bundesregierung macht deutlich: Die Koalition will die bildungspolitischen Weichenstellungen der vergangenen Jahre – also noch vorgenommen von einer unionsgeführten Bundesregierung – grundsätzlich nicht in Frage stellen. Die Bundesregierung beschränkt sich also auf das Verwalten von Maßnahmen, die von der vorherigen Bundesregierung angestoßen wurden.
In erster Lesung beraten wir den Entwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Beschleunigung von verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Infrastrukturbereich. Verwaltungsgerichtliche Verfahren über besonders bedeutsame Infrastrukturvorhaben können aufgrund ihrer Komplexität und der sich in tatsächlicher wie in rechtlicher Hinsicht ergebenden Schwierigkeiten lange dauern. Ziel des Gesetzentwurfs ist es, die Verfahrensdauer für diese Vorhaben mit einer hohen wirtschaftlichen oder infrastrukturellen Bedeutung zu reduzieren, ohne hierbei die Effektivität des Rechtsschutzes zu beeinträchtigen. Grundsätzlich begrüßen wir eine Beschleunigung von Infrastrukturvorhaben – ob dies mit dem vorliegenden Gesetzentwurf gelingen wird, darf aber bezweifelt werden.
3. Wichtige Termine und Ausblick
- Inland:
- Januar: Stat. Bundesamt: Inflation Dezember und Gesamtjahr 2022,
- Januar: BK Scholz in Mainz und Besuch des Bundesamts für Auswärtige Angelegenheiten in Brandenburg an der Havel mit BM’n Baerbock,
- Januar: BM Habeck und BM beim zum Weltwirtschaftsforum in Davos,
- Januar: Agrarkongress 2023 in Berlin mit BM Özdemir und BM’n Lemke,
- Januar: Bundesfinanzhof verhandelt über Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlags (Urteil wird Ende Januar erwartet),
- Januar: BK Scholz und BM Heil zum Weltwirtschaftsforum in Davos,
- Januar: Jahres-PK GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmern zu Wohnungsbau und bezahlbarem Wohnen,
- Januar: Teilnahme BK Scholz an DGB-Bundesvorstandsklausur,
- -29. Januar: Grüne Woche in Berlin,
- Januar: Landesparteitag CDU-Niedersachsen mit Vorstandswahl.
- Außen/EU:
- -20. Januar: Weltwirtschaftsforum in Davos,
- Januar: Außenministertreffen Iran und Russland in Moskau,
- Januar: Online-Gespräch zwischen dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und Studierenden aus Frankfurt (Oder) und Berlin,
- /19. Januar: Treffen des NATO-Militärausschusses,
- Januar: Spanisch-französisches Gipfeltreffen in Barcelona,
- Januar: Großstreik gegen geplante Rentenreform in Frankreich,
- Januar: Drittes Treffen der von den USA geführten "Kontaktgruppe zur Verteidigung der Ukraine" auf der US-Airbase Ramstein,
- Januar: BK Scholz empfängt die Präsidentin Griechenlands Sakellaropoulou,
- Januar: Chinesisches Neujahrsfest (wichtigstes Familienfest in China),
- Januar: Verfassungsreferendum in der Slowakei zur Schaffung einer Möglichkeit von vorgezogenen Neuwahlen bei einem Auseinanderbrechen der Regierung ohne parlamentarische Mehrheit,
- Januar: Deutsch-Französischer Tag, 60 Jahre Elysée-Vertrag, Deutsch-Französischer Ministerrat.