Rede zum Thema: Erste Beratung des Gesetzentwurfs zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

 Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Michael Meister.

Dr. Michael Meister,Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen:

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben hier ein wirtschaftspolitisch, steuerpolitisch und verfassungsrechtlich bedeutsames Thema auf der Tagesordnung.

(Dr. Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auch gesellschaftspolitisch!)

Aus unserer Sicht ist es von zentraler Bedeutung, dass wir die besondere Kultur der Familienunternehmen in Deutschland erhalten. In den Familienunternehmen hat der Inhaber eine personelle Verantwortung gegenüber seinen Arbeitnehmern und dem Geschehen im Unternehmen. Mit dieser Kultur unterscheiden wir uns wesentlich von kapitalmarktfinanzierten Ländern wie etwa den Vereinigten Staaten oder Großbritannien. Wir wollen in Deutschland bei der nun anstehenden Reform diese Kultur erhalten.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Ingrid Arndt-Brauer [SPD])

Wir sprechen hier über 60 Prozent der Arbeitsplätze und über mehr als 90 Prozent der Unternehmen in Deutschland. Deshalb ist es wirtschaftspolitisch von zentraler Bedeutung, wie wir uns an dieser Stelle positionieren.

Wir müssen uns in Erinnerung rufen, dass für ein Familienunternehmen die Generationenübergabe eine Schlüsselsituation ist, in der es darum geht, die Weiterführung des Unternehmens in die Zukunft zu gewährleisten. Wir sollten dabei keine Hindernisse in den Weg stellen, sondern darauf achten, dass bestehende Unternehmen und Arbeitsplätze sicher in die nächste Generation geführt werden können.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Wir werden dabei zwischen der steuerpolitischen Betrachtung – es handelt sich um einen Vermögenszufluss aufseiten des Erben oder des Beschenkten – und der Verantwortung für das Unternehmen und seine Mitarbeiter abwägen. Wir streben eine ausgewogene Lösung an. Ich will ausdrücklich sagen, dass wir eine verfassungskonforme Lösung wollen, die diesem Ziel entspricht. Unsere Absicht ist nicht das Erzielen von Steuermehreinnahmen. Das ist kein Ziel dieses Gesetzes.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Seit 1995 gab es bislang drei Urteile in Karlsruhe zur Erbschaft- und Schenkungsteuer. Der Tenor der Urteile lautete jedes Mal: „Ja im Grundsatz, aber...“. Beim vierten Anlauf sollten wir uns daher auf eine nachhaltig rechtssichere Lösung konzentrieren und darauf achten, dass das Ganze verfassungskonform ist. Das liegt hochgradig auch im Interesse der betreffenden Arbeitnehmer und Unternehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann müsst ihr aber deutlich nachbessern!)

– Diese Aufgabe wird auch durch Zurufe nicht weniger komplex.

(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!)

Selbst das Bundesverfassungsgericht hat zur Erläuterung der Frage, ob eine Abweichung vom in Artikel 3 des Grundgesetzes verankerten Gleichheitsgrundsatz aus Gründen des Erhalts von Arbeitsplätzen, Unternehmen und Familienunternehmenskultur erlaubt werden kann, nahezu 300 Randnummern in seinem Urteil gebraucht. Das zeigt die Komplexität der Aufgabe.

Wir haben uns vorgenommen, an der bisherigen Grundkonzeption festzuhalten; denn die Grundkonzeption der Verschonung ist im Urteil ausdrücklich als zulässig und mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt worden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Wir werden uns also auf diejenigen Punkte konzentrieren, bei denen das Bundesverfassungsgericht Korrekturen angemahnt hat. Ich will diese vier Punkte benennen:

Der erste Punkt ist die Tatsache, dass mit zunehmender Größe des Unternehmens und damit mit zunehmender Größe des Erbes die Abweichung von dem in Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes verankerten Gleichheitsgrundsatz zunimmt. Deshalb muss es ab einer gewissen Unternehmensgröße eine besondere Rechtfertigung geben, um eine Verschonung gewähren zu können, Stichwort „Bedürfnisprüfung“.

Der zweite Punkt ist die Tatsache, dass eine große Zahl der Unternehmen – weit über 90 Prozent – weniger als 20 Mitarbeiter hat. Das Verfassungsgericht hat uns aufgetragen: Wenn der Erhalt der Arbeitsplätze im Mittelpunkt steht, dann muss dies auch entsprechend verifiziert werden.

Der dritte Punkt ist die Tatsache, dass bisher zugelassen ist, dass 50 Prozent des Verwaltungsvermögens der Verschonung unterliegen. Diesen Umfang hat das Verfassungsgericht nicht akzeptiert.

Der vierte Punkt ist die Tatsache, dass es in unserem Land viele hochintelligente Steuerberater gibt, die immer wieder dazu neigen, bestimmte Gestaltungen auszuprobieren. Das Verfassungsgericht hat uns beauftragt, solche Gestaltungen, wenn sie erkennbar werden, zu unterbinden. Dieser Auftrag ist nicht an die Steuerberater gerichtet, sondern an den Gesetzgeber, der hier vor mir sitzt. Diesen Auftrag sollten wir ernst nehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Mit dem Gesetzentwurf, den die Bundesregierung am 8. Juli 2015 im Kabinett beschlossen hat und der heute in den Deutschen Bundestag eingebracht wird, wird versucht, die wirtschaftspolitische, steuerpolitische und verfassungsrechtliche Dimension aufzugreifen. Wie haben wir die vier angemahnten Korrekturen umgesetzt?

Wir haben zunächst einmal festgelegt: Als groß gilt, wer dem höchsten Erbschaftsteuersatz unterliegt. Sobald der Wert des begünstigten Vermögens die Grenze von 26 Millionen übersteigt, haben wir es mit größeren Erbschaften zu tun. Wir betrachten dabei nicht die Größe des Unternehmens, sondern den einzelnen Erben oder Beschenkten gemäß dem Unternehmensanteil, der ihm zufließt. Das ist also die vorgeschlagene Grenzgröße. Oberhalb dieser Grenze lassen wir den Erben oder Beschenkten die Wahl. Sie haben zwei Optionen: Die eine ist, eine Bedürfnisprüfung vornehmen zu lassen, die andere ist, ein sogenanntes Abschmelzmodell, bei dem der Grad der Verschonung mit zunehmendem Vermögen reduziert ist, zu wählen. Ich glaube, das ist ein vernünftiges und faires Angebot.

Bei dem Verschonungsabschlag, also bei der zweiten Option, verringert sich die Verschonung um jeweils 1 Prozentpunkt für jede vollen 1,5 Millionen Euro, die der Wert des begünstigten Vermögens die Grenze von 26 Millionen Euro übersteigt. Das geht bis zu einer Größenordnung von 116 Millionen Euro. Danach gilt eine feste Verschonung. Wir, die Bundesregierung, glauben, dass wir damit den verfassungsrechtlich gezogenen Rahmen ausgeschöpft haben und keinerlei Spielraum besteht, noch weiter zu gehen.

Bei der Bedürfnisprüfung wird die Erbschaftsteuerschuld festgestellt und erlassen, soweit der Erbe sie nicht aus nichtunternehmerischem Vermögen bzw. der Hälfte seines nichtunternehmerischen Vermögens bedienen kann.

Zum Thema Lohnsumme schlagen wir vor, dass wir bei der bisherigen Konzeption bleiben. Wir haben die Länder, die Bundestagsfraktionen und auch die Öffentlichkeit gefragt, ob es einen anderen geeigneten Parameter gibt, um Kleinstunternehmen, die wir von der Lohnsummenprüfung verschonen wollen, abzugrenzen. In der Diskussion der letzten Monate ist deutlich geworden, dass der Parameter „Anzahl der Mitarbeiter“ der richtige ist. Wir haben versucht, die Zählweise etwas praxisnäher auszugestalten. Wir schlagen jetzt als Grenze die Anzahl 3 vor, damit wir das Verhältnis von Regel und Ausnahme in die richtige Balance bringen. Der Vorwurf des Bundesverfassungsgerichts lautete ja, dass wir den Ausnahmefall zur Regel erklären. Ich glaube, wir müssen den Regelfall zur Regel erklären. Das versuchen wir mit diesem Ansatz.

Weil das Ausscheiden eines Mitarbeiters aus einem kleinen Unternehmen natürlich eine besondere Auswirkung auf die Prozentzahlen hat, haben wir uns darauf verständigt, die Anforderungen an die Lohnsumme bei Unternehmen mit einer Mitarbeiteranzahl zwischen 4 und 15 zu reduzieren. So wird die Wirkung des Ausscheidens eines Mitarbeiters vernünftig abgebildet.

(Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Sehr guter Vorschlag!)

Ich weiß, dass es an dieser Stelle viele Diskussionen gibt, aber, ich glaube, es ist ein richtiger Ansatz.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zu den Punkten 3 und 4 des Bundesverfassungsgerichtsurteils: Gestaltungsanfälligkeit, 50 Prozent Verwaltungsvermögen. Wir schlagen an dieser Stelle vor, einen neuen Ansatz zu wählen, von der seitherigen Definition „Verwaltungsvermögen“ abzugehen und zu einer Definition „Hauptzweck“ zu kommen. Das heißt, wir definieren positiv, was wir verschonen wollen, und treffen nicht eine Negativdefinition, in der wir erklären, was wir nicht verschonen wollen. Die Negativdefinition war so, dass wir eine Aufzählung hatten und Ausnahmen von der Aufzählung und Rückausnahmen von der Aufzählung gemacht hatten. Ich glaube, es ist vernünftig, hier einen positiven und geraden Ansatz zu wählen. Das erspart uns möglicherweise, Frau Präsidentin, dass wir in der Zukunft noch öfter und länger über die Erbschaftsteuer sprechen müssen. Ich hoffe, dass die Kollegen hier im Haus und auch die Kollegen im Bundesrat damit eine gute Grundlage für die anstehenden Gesetzesberatungen haben, und hoffe im Interesse der Unternehmen und der Arbeitnehmer in Deutschland, dass wir in dieser Diskussion zu einem guten Ergebnis kommen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

 

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23.04.202400:00 - 00:00 Uhr | Sitzungstag Deutscher Bundestag in Berlin
24.04.202400:00 - 00:00 Uhr | Sitzungstag Deutscher Bundestag in Berlin
25.04.202400:00 - 00:00 Uhr | Sitzungstag Deutscher Bundestag in Berlin
26.04.202400:00 - 00:00 Uhr | Sitzungstag Deutscher Bundestag in Berlin
26.04.202415:00 - Uhr | Klausurtagung CDU Kreisvorstand in Lautertal
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18.06.202418:00 - 19:00 Uhr | Bürgersprechstunde in Fürth

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